Am 24.11.2022 verabschiedete das EU-Parlament die Resolution P9_TA(2022)0423 „Schutz der Viehwirtschaft und der Großraubtiere in Europa“. Diese enthält Forderungen an die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten, die Auswirkungen der Verbreitung von Wölfen auf extensive Tierhaltungssysteme zu analysieren und diese zu verringern. Weiter wird die EU-Kommission aufgefordert, verstärkte Unterstützung von Schutzmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, den Austausch von Interessensgruppen über das Management von Wölfen zu fördern und Vorschläge zur Bewertung des Schutzstatus des Wolfes zu erarbeiten.
In den Medien, wie auch in den Interpretationen zahlreicher Politiker findet die Forderung nach Änderung des Schutzstatus des Wolfes besondere Aufmerksamkeit (NR-Kurier, 2022; Stern, 2022) und wird nicht selten unvollständig dargestellt.
Aber trifft das den Kern der Resolution?
Festzustellen ist, dass es keine konkrete, eigenständige Forderung nach einer Änderung des Schutzstatus des Wolfes gibt. Diese steht im Zusammenhang mit einer Änderung des Schutzstatus in der Berner Konvention, deren Ablehnung aber zum Zeitpunkt der Resolution schon bekannt sein durfte.
Vielmehr weist die Resolution auf einen wissenschaftlich basierten Umgang mit dem Thema Schutz der Viehwirtschaft und damit der Weidetierhaltung hin.
Die Resolution lässt nicht erwarten, dass sich in absehbarer Zeit etwas am Schutzstatus des Wolfes ändert. Damit bleiben die Rechtsgrundlagen für die Anwendung von Ausnahmeregelungen bestehen.
Der Wolf und sein Schutzstatus genießen europaweite Aufmerksamkeit der beständig geprüft wird. Der von der Berner Konvention in Auftrag gegebene Bericht des IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, deutsch Internationale Union zur Bewahrung der Natur) enthält die aktuellsten Informationen über Wolfszahlen, Trends, Hauptbedrohungen und Erhaltungsmaßnahmen auf Länder-, Populations- und gesamteuropäischer Ebene.
Berner Konvention lehnt Änderung des Schutzstatus des Wolfes ab.
Zum Zeitpunkt der Resolution, mit der Forderung den Schutzstatus des Wolfes zu prüfen, war bereits mit Beschluss des EU-Rates vom 14.10.2022 entschieden worden, eine Herabstufung des Schutzniveaus für den Wolf abzulehnen. Diese Entscheidung wurde auf Basis eines aktuellen Gutachtens des IUCN (2022) getroffen.
Damit wurde der bereits 2018 eingereichte Antrag der Schweiz auf Statusänderung am 29. November 2022 vom Ständigen Ausschuss der Berner Konvention abgelehnt.
Ursula von der Leyen verweist auf die bestehenden Ausnahmen der FFH-Richtlinie.
Mit Ihrer Antwort vom 25.11.2022 hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf ein Schreiben der Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) vom 06.10.2022 reagiert und Verständnis für deren Fragen zu Schutz des Wolfes bekundet. Des Weiteren bestätigt Sie die Resolution vom 24.11.2022.
Besonders ausführlich weist Sie auf die bereits bestehenden Ausnahmen der FFH-Richtlinien (Art. 16) hin und darauf, dass die Kommission keinen Einfluss auf die Anwendung richtlinienkonformer Ausnahmen nimmt.
Die Bundesregierung plant keine Überprüfung und Anpassung des Schutzstatus des Wolfes.
In ihrer Antwort (20/4640) auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/4451) vom November 2022 weist die Bundesregierung darauf hin, dass entsprechend der FFH-Richtlinie der Wolf in Deutschland eine streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse sei. Dabei bezieht sich die Bundesregierung auf eine frühere Antwort vom Januar 2021 (19/25695) auf eine FDP-Anfrage zu steigenden Wolfszahlen vom November 2020 (19/24771). Eine Überprüfung und Anpassung des Schutzstatus in Abhängigkeit von der Populationsentwicklung sei in der FFH-Richtlinie grundsätzlich nicht vorgesehen. Die FFH-Richtlinie sehe auch für Arten in einem günstigen Erhaltungszustand weiterhin Schutzmaßnahmen vor.
Das der Schlüssel zur Reduzierung solcher Angriffe in präventiven Herdenschutzmaßnahmen liegt, wurde bereits durch verschiedene Institutionen (LfU, 2022; DBBW, 2022) und wissenschaftliche Studien (Mayer et al., 2022) belegt.
Referenzen:
DBBW - Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (2022): Wolfsverursachte Schäden, Präventions- und Ausgleichszahlungen in Deutschland 2021. 41 S.
LfU - Landesamt für Umwelt Brandenburg (2020): Gemeldete Nutztierschäden und Rissstatistik im Land Brandenburg. Nutztierrisse | Startseite | LfU (brandenburg.de) (Tag des Zugriffs: 15.12.2022)
Mayer, M., Olsen, K., Schulz, B., Matzen, J., Nowak, C., Thomsen, PF., Hansen, MM., Vedel-Smith, C., Sunde, P. (2022): Occurrence and Livestock Depredation Patterns by Wolves in Highly Cultivated Landscapes. Front. Ecol. Evol. 10:783027.
Weitere Beiträge zu